Donnerstag, 16. November 2017

Snob oder Bettler

Selten sind mir die Unterschiede zwischen arm und reich so sehr aufgefallen wie hier in Valencia. Mir war zwar bekannt, dass es in Spanien keine große Mittelschicht gibt, aber das die Schere so weit auseinanderklafft, war mir nicht bewusst.
Wenn ich gegenüber Valencianern erwähne in welcher Straße ich wohne, dann wird das nur abwertend mit Pijos kommentiert, was so viel heißt wie Snobs oder Schickimicki. Meine Straße hier gehört wohl zu den absoluten Nobelvierteln in der Stadt und nur die wenigstens können sich dort eine Wohnung leisten.
Auch an der Bushaltestelle fällt mir jedes Mal wieder auf, wer die Eltern der Kinder sind und wer das Kindermädchen. Die Mütter tragen meistens Kostüme, hohe Schuhe und natürlich teure Handtaschen. Daneben sieht man dann normal gekleidete dunklere Spanierinnen, die neben den blond gefärbten Frauen in Kostüm natürlich promt auffallen. In Spanien sind die Menschen normalerweise vom Hautton etwas dunkler und haben braune Augen und Haare. Aber an der Bushaltestelle sieht man diese typischen südländischen Merkmale wirklich nur bei den Kindermädchen. Es ist wirklich verrückt, aber hellerer Hautton und Haare scheinen in diesem Viertel automatisch Reichtum zu symbolisieren. Das es diesen Unterschied zwischen arm/reich, dunkel/hell auch in Spanien gibt, finde ich einfach unglaublich schade. Erst habe ich gedacht, dass ich mir das einbilde, aber nach gut zwei Monaten Beobachtungen kann ich die ''Reichen'' und die ''Mittelschicht'' auf meiner Straße schon gut anhand des Aussehens unterscheiden (Ja ich weiß, sind auch nur Vorurteile, aber leider bewahrheiten sie sich hier um Großteil).
Meine Gastmutter gibt mal eben so 17 Euro pro T-shirt der Schuluniform für die Kinder aus, aber auf der anderen Seiten geht sie mit einer Armani Handtasche im 1 Euro Shop Teddi einkaufen. Verrückt oder?
Auch kann man die Kinder von Privatschulen schon von weitem anhand der Schuluniform erkennen. Diese ist typisch englisch und besteht aus Rock, Kniestrümpfen, Lackschuhe und Poloshirt. In Valencia gibt es viele Privatschulen, katholische, englische und auch deutsche. Pro Kind und Jahr kosten diese ca. 6000 Euro und dann bezahlt man natürlich noch für die Uniformen, Nachmittagsaktivitäten etc. ''Meine'' Kinder wissen für ihr Alter schon recht viel und vor allem Carlota spricht verdammt gut englisch. Trotzdem haben mir schon zwei Lehrer gesagt, dass die Lehrer von Privatschulen zum einen weniger verdienen und zum anderen ein bestimmtes Examen nicht gemacht haben, welches ihnen erlaubt auf einer öffentlichen Schule zu unterrichten. Die Lehrer der Privatschulen sind also keineswegs besser, als die auf öffentlichen Schulen, aber trotzdem geht jedes reiche Kind hier auf eine Privatschule.
Am Wochenende sind die Kinder natürlich auch stets gut gekleidet- und zwar im Partnerlook. Es scheint bei Spaniern der gehobeneren Klasse so üblich zu sein seine Kinder gleich zu kleiden. So sieht man also im Park oder Restaurants immer wieder Geschwister, die die gleichen Kleider, Farben und Muster tragen. Es ist wirklich alles genau aufeinander abgestimmt.

Die Schattenseite von meinem Viertel befindet sich eigentlich an so ziemlich jeder Straßenecke in Form von Bettlern. Diese haben meist mehrere Hunde und Katzen und sitzen auf dem Boden. Viele von ihnen haben Schilder in mehreren Sprachen auf denen ''Ich habe Hunger'' steht, manche sind aber so dreist und belästigen einen im Straßencafe. Bei den Bettlern handelt es sich größtenteils um jüngere Spanier, denen ich glaube, dass sie auf der Straße leben. Aber viele sind auch aus Osteuropa und sitzen vor Kirchen etc und sagen, dass ihre Kinder Hunger leiden müssen, obwohl sie heimlich ihre Zigaretten hinter dem Rücken verstecken. Mir bricht es vor allem das Herz an älteren Bettlern vorbei zu gehen. Viele von ihnen haben wahrscheinlich ihr ganzes Leben hart gearbeitet und können von der kleinen Rente nicht leben.

In Spanien liegt die Jugendarbeitslosenquote bei über 37% und ist damit hinter Griechenland Spitzenreiter. Deutschland liegt mit nur 6,4% auf dem letzten Platz. Die momentane kritische Situation mit Katalonien und die Korruption im Lande machen das Ganze auch nicht besser.
Man merkt den Jugendlichen hier an, dass viele besorgt um ihre Zukunft sind und auch ein Uniabschluss ist hier schon lange keine Garantie mehr auf einen Job.
Anfangs war ich sehr verwundert, dass es hier eine deutsche Privatschule gibt, in der die Schüler genau das gleiche lernen wie ich früher und in der sie auch das deutsche Abitur erlangen können. Jetzt weiß ich aber, dass viele hier Deutschland bewundern und unbedingt dort studieren und arbeiten wollen. Grade deswegen sind deutsche Au-pairs hier auch unglaublich beliebt, denn die Eltern möchten die Sprachkenntnisse ihrer Kinder so gut es geht verbessern.

 Auch meine Gasteltern wollen nur das Beste für ihre Kinder, aber meiner Meinung nach haben sie viel zu viele Akitvitäten. Sie sind von halb 9 bis 17 Uhr in der Schule, bzw im Schulbus. Nach dem eigentlichen Unterricht haben sie noch Aktivitäten wie Fußball, rythmische Sportgimnastik und Judo. Anschließend hole ich sie vom Bus ab und wir gehen Montags zum Kommunionsunterricht, Dienstags zum Tennis, Mittwochs hat Calota erst Klavierunterricht und dann kommt die Psychologin, um mit allen über Emotionen zu sprechen, und Donnerstag haben sie dann nochmal Tennis und anschließend hat Carlota Klavierunterricht. Die Tage sind also ziemlich vollgepackt, aber trotzdem müssen sie zwischendurch noch ihre Hausaufgaben machen und üben. An ihrer Stelle wäre ich damit total überfordert.

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